Marinaleda Spanien – Hier kostet die Miete nur 15 Euro und jeder verdient genau 1.200 Euro im Monat
18. September 2018 10:00 Uhr

Marinaleda, das bewundernswerte Dorf in Andalusien

Stellen Sie sich vor, Sie erhalten monatlich 1.200 Euro als Einkommen auf Ihr Konto überwiesen und müssen davon nur 15 Euro Miete bezahlen. Gut, in Deutschland ist das kaum denkbar. Denn die Debatte über ein festes Grundeinkommen dauert weiterhin an und die Mieten – na ja, was sollen wir sagen. Aber in der kleinen südspanischen Ortschaft Marinaleda ist das die Realität. Jeder hat dort Arbeit. Jeder verdient das gleiche. Und die Miete kostet tatsächlich nur 15 Euro im Monat. Das sind schlappe 1,25 Prozent des Einkommens. In Deutschland geben wir vielerorts (trotz Mietpreisbremse) mehr als 30 Prozent nur für die Miete ab. Und andere Ausgaben kommen erst noch dazu.

Durchaus könnte man jetzt meckern und damit anfangen, wie schlimm das mit den deutschen Mieten doch ist. Und natürlich könnten sie geringer ausfallen, zugunsten vieler Menschen, die sich zentralen Wohnraum nicht oder nur sehr schwer leisten können. Man kann das „In anderen Ländern ist alles besser“ förmlich schon hören. Was mit Blick auf Marinaleda auch stimmt. Aber ein ähnlicher Strukturentwurf wie dort ließe sich hier nicht umsetzen.

Denn die Situation in Marinaleda ist historisch bedingt und lässt sich mit Deutschlands Geschichte kaum vergleichen.

Um etwas weiter auszuholen:

Die Situation, so wie sie in Marinaleda vorherrscht, ist das Ergebnis eines schweren Aufstands in den 70er Jahren. Denn bevor in der kleinen Ortschaft alle Arbeit, ein festes Einkommen und günstigen Wohnraum bekamen, war man so situiert wie jedes andere arme Dorf drumherum auch. Bis heute hat man in Andalusien mit einer Arbeitslosenrate von 30 Prozent zu kämpfen. Bis heute müssen in Sevilla jeden Tag Familien ihre Häuser räumen, weil sie sich ihre Miete nicht mehr leisten können. Nur in Marinaleda nicht.

Vor etwa 40-45 Jahren begannen die Bewohner des bis dahin genauso armen Dorfs damit, sich für die großen Landwirtschaftsflächen drumherum einzusetzen. Einerseits, um sich selbst besser versorgen zu können. Andererseits, um zu handeln. Die Landwirtschaft spielte in Marinaleda schon immer eine übergeordnete Rolle. Das Problem war nur, dass die gewünschte Nutzungsfläche einem General gehörte und dass dieser General sie partout nicht verkaufen oder verpachten wollte.

So kam es zu einem jahrelangen Protest. Die Einwohner Marinaledas belagerten die Villa des Generals, blockierten Straßen, Landebahnen und Schienen und ließen sich auch von den polizeilichen Gegenaktionen des Generals nicht einschüchtern. So wurde die Luft für den General über zwölf Jahre hinweg immer knapper und schließlich gab man nach. Die Menschen bekamen ihr Land und begannen, eine feste Wirtschaftsstruktur aus Genossenschaften aufzubauen. Bis heute ist alles in Marinaleda in Genossenschaften organisiert.

Zurück zur Miete – wie kann ein Haus nur 15 Euro im Monat kosten?

Die Genossenschaften sind nicht nur für die Arbeitssituation verantwortlich. Sie sorgen auch dafür, dass sich jeder Wohnraum leisten kann. Sehr viel von dem erwirtschafteten Geld bleibt direkt im Dorf. In Marinaleda gibt es keine Führungsebenen, die sich Millionengewinne einstreichen. Im Gegenteil – die Genossenschaftler treffen sich kontinuierlich mit den Bürgerinnen und Bürgern zu Stadtversammlungen und entscheiden dort, was man wie anbaut und was man wie investiert. Außerdem, wie viele neue Häuser gebaut werden.

Jeder Einwohner Marinaledas bekommt ein vollkommen kostenloses Grundstück bereitgestellt. Architekten und Maurer werden von der Dorfgemeinschaft bezahlt. Die Regierung Andalusiens bezuschusst Baumaterialien und so bleiben nur noch 50.000 Euro abzuzahlen. Das Geld wird mit der Miete von monatlich 15 Euro verrechnet. Der Betrag fällt so gering aus, weil niemand in Marinaleda in Armut leben soll. Dort heißt es: „Wohnen ist ein Menschenrecht und keine Ware, mit der Handel betrieben werden kann.“

Wie bereits vorher erwähnt, sind Mieten wie diese in Deutschland kaum denkbar. Selbst, wenn man sich bemühen wollte. Dafür herrschen viel zu unterschiedliche Gesellschaftsstrukturen auf. Und generell leben die Bewohner Marinaledas mit weitaus kleineren Lebensstandards als wir. Die absolut kontra-kapitalistische Struktur lässt sich jedoch trotzdem als Mahnmal für die Welt ansehen. In Spanien gibt es viele Dörfer und Städte, in denen man neidisch auf Marinaleda ist. Weltweit greifen die Medien immer wieder die Geschichte und Situation der Ortschaft auf.

Marinaleda ist definitiv kein Dorf wie jedes andere.

 

(inspiriert vom Bericht des „Das perfekte Haus“-Magazins)
Das Beitragsbild zeigt eine zufällige spanische Ortschaft und nicht die Häuser von Marinaleda.